Studienfahrt Krakau-Auschwitz
„Eine Reflexion von Dita Keune und Fenja Lüdemann„
24.9. – 28.9.2019
Wir fahren nach Krakau. Wir fahren nach Auschwitz. Gut, dass wir heute leben. Warum fahren wir eigentlich dahin? Haben wir damit noch was tun? Das ist doch schon so lange her, daran kann sich doch kaum noch einer erinnern.
Erinnerung, das ist es, was Auschwitz noch heute existieren lässt. Das Bemühen, den wohl schlimmsten Teil der europäischen/deutschen Vergangenheit nicht zu vergessen. Sich an das erinnern, was niemals wieder geschehen darf. In der heutigen Zeit wird die Zahl derer, die das Vergangene belächeln oder verleugnen immer größer. Umso wichtiger ist es, uns und andere zu erinnern, indem wir über alles reden, was passiert ist. Um die Zukunft und die Kinder, also auch uns und später auch unsere Kinder, vor der Wiederholung von so etwas Furchtbarem zu bewahren.
Wir fuhren nach Krakau für knapp eine Woche. Wir waren bunt gemischt. Nicht alle von uns hatten vor Geschichte als LK zu wählen. Es sollte nämlich allen dieselbe Möglichkeit gewährt werden, sich an diesen Ort der Erinnerung zu begeben. Wir schauten uns die Stadt an und besuchten das Wissenschaftsmuseum, die ehemalige Universität der Stadt, an der seiner Zeit Kopernikus lernte. Wir besuchten den Wawel, einen Burghügel über Krakau. Die Stadt Krakau, das Leben dort und ihre Vergangenheit lernten wir auf eindrucksvolle Weise kennen. Wir lauschten dem Trompetenspieler, der die Geschichte der Stadt zu jeder vollen Stunde mit einer laut erklingenden Melodie über dem alten Markt verkündet. Auch besuchten wir eine polnische Schule, tauschten uns mit den Schülern dort über kulturelle Unterschiede, Politik, gegenseitige Vorurteile, aber auch über ganz alltägliche Dinge untereinander aus. Aber nicht nur polnische Jugendliche durften wir kennenlernen, denn zwei Abende trafen wir auch englische Jugendliche. Mit ihnen redeten wir auch über den Brexit. Es seien zum größten Teil ihre Großeltern, von denen sie wüssten, dass sie diesen befürworten, nicht sie. Doch sie seien es jetzt, die ständig Fragen zum Brexit beantworten müssten, einen Brexit, für den sie gar nichts könnten. Wir unterhielten uns ausgelassen, als unbedacht und scherzend der Satz „man müsste einfach alle Alten loswerden“ fiel. Die heitere Stimmung war durch ein kurzes Schweigen unterbrochen. Wir erinnerten uns daran zurück, weshalb wir eigentlich nach Krakau gekommen waren.
Wir fahren nach Krakau, wir fahren nach Auschwitz, in das größte Konzentrationslager, was es gab. Ein Ort, an dem über 1,1 Millionen Menschen ihr Leben verloren haben. Doch nach einem Moment des Schweigens ging das Gespräch weiter. Die Engländer waren verständnisvoll. Sie wüssten, dass das nur ein Scherz gewesen sei und dass wir diesen Satz nicht ernst gemeint hätten, weil wir Deutsche seien. Sie wüssten, dass es Probleme mit Vorurteilen gäbe, die häufig von älteren Generationen geschürt würden. Doch sie wüssten auch, dass wir alle gleich sind, egal wo wir herstammen und woran wir glauben.
Wir fahren nach Auschwitz. Schon als wir Schindlers Fabrik besuchten, die einige aus dem Film „Schindlers-Liste“ kannten , lief einigen von uns schon der erste Schauer über den Rücken. Doch dann kamen wir nach Auschwitz, von dem man schon so viel gehört hat. Der Ort, an dem aus diesem Schauer ein wahrer Platzregen wurde.
Als wir in Auschwitz ankamen, bekamen wir einen Schreck, dies war im ersten Moment kein Ort der Trauer und der Erinnerung. Die Sonne schien und etliche Gruppen von Menschen wälzten sich in einem bunten Sprachengemisch zum Eingang. Die ganze Szenerie erinnerte eher an den Einlass eines Freizeitparks, den Einlass in eine Attraktion. Es fühlte sich falsch an mit diesen Massen, mit diesem Strom, in diesen Eingang zu fließen. Gerade vor dem Hintergrund zu wissen, dass durch dieses Mitfließen erst solch grausame Dinge passieren konnten. Als wir drinnen waren und wie alle Besucher mit Kopfhörern ausgestattet waren, lernten wir unsere Leiterin kennen. Sie war eine nette ältere Dame, die uns über die Geschichte von Auschwitz im Laufe der Führung aufklärte. Dabei ging sie ganz langsam. Schritt für Schritt. Wahrscheinlich war dieses Tempo eher auf ihr Alter zurückzuführen, doch war es gut so. Denn nur so spürte man die Stimmung der eng aneinander stehenden Häuser und der Inschrift im Torbogen „Arbeit macht frei“. Das erste, was wir nach dem Durchqueren dieses Bogens gesehen haben, war ein Junge, an einen Baum gelehnt. Vielleicht war er krank oder er hatte etwas Schlechtes gegessen, aber für uns hat er sich in diesem Moment übergeben, da der Schmerz, den er fühlte bei dem Gedanken an diesen Ort, ihn so überwältigt hatte, dass es sein Körper nicht mehr aushalten konnte.
Was wir gesehen haben, war unglaublich emotional, persönlich und erschreckend, sodass wir dies gar nicht weiter beschreiben möchten. Wir haben geweint und an der Menschheit gezweifelt, aber der Junge am Eingang hat sich erbrochen, ist unter der Übelkeit über diese Unmenschlichkeit zusammengebrochen. Mehr wollen wir darüber nicht sagen und können es auch nicht.
Krakau war wunderschön, wir haben so viele nette Menschen kennengelernt. Menschen aus anderen Ländern, mit denen wir keine Vorurteile gelebt, sondern über sie geredet haben. Krakau war wunderschön und wir werden uns immer daran erinnern.