75 Jahre Eichenschule: Geschichte einer Elterninitiative 17
Teil 17
Zum Jubiläum unserer Eichenschule hat sich unser stellvertretende Schulleiter Karsten Frick die Mühe gemacht, viele Informationen und Geschichten zur historischen Entwicklung der Eichenschule in Scheeßel zusammen zu tragen. Wir veröffentlichen in den kommenden Wochen die 20 Teile dieser interessanten Recherche hier in unserem Blog.
Digitales und soziales Lernen (2014 – heute)
Dass mit über 1100 Schülern im Sommer 2011 der Zenit des seit 1987 andauernden Aufwärtstrends erreicht war, war in allen Gremien der Eichenschule Konsens und leitete einen Paradigmenwechsel ein. Nun galt es, die Schülerzahlen trotz zurückgehender Geburtenzahlen in der Region und eines massiven Ausbaus des staatlichen Schulangebots im Umkreis der Eichenschule auf einem hohen Niveau zu halten. Die Einrichtung der Kooperativen Gesamtschule (KGS) Sittensen mit gymnasialer Oberstufe und der Aufbau des Sottrumer Gymnasiums führten dazu, dass die Anmeldezahlen aus diesen beiden Kommunen deutlich rückläufig waren. Ferner richtete die Stadt Rotenburg eine eigene IGS mit dem Fernziel einer gymnasialen Oberstufe ein, so dass die Kreisstadt nun mit drei Schulen, dem Ratsgymnasium, den Berufsbildenden Schulen und der Integrierte Gesamtschule (IGS) mit der Eichenschule um Oberstufenschüler konkurrierte. Alle aufgezählten Schulen wurden außerdem mit hohem finanziellen Aufwand des Landkreises und der beteiligten Kommunen kräftig modernisiert, so dass der Vorsprung, den sich die Eichenschule auf baulichem Sektor in zukunftsorientierten Lernräumen und Ausstattung erarbeitet hatte, schnell dahinschmolz. In dieser Situation übernahm Christian Birnbaum, der schon von 1995 bis 2010 an der Eichenschule beschäftigt gewesen war, Internatserfahrung besaß und bis 2014 als Oberstufenkoordinator die gymnasiale Oberstufe in Sottrum aufgebaut hatte, das Ruder. Seine Bewerbung verband er mit dem Projekt, die Eichenschule ab Klasse 9 zur Tablet-Schule umzugestalten, um der unterrichtlichen Entwicklung neuen Schub zu verleihen und bei der zunehmenden Digitalisierung in Deutschland im Einzugsgebiet der Schule eine Vorreiterrolle zu spielen. Nach intensiven Vorbereitungen wurde zum Schuljahr 2015/16 erstmals ein kompletter 9. Jahrgang mit Tablets ausgestattet. In den folgenden Schuljahren wurde die Schule immer weiter mit Beamern und interaktiven Schultafeln ausgestattet. Eltern, Lehrkräfte und Schüler kommunizierten auf einer gemeinsamen Schulplattform. Diese Neuerungen erwiesen sich in der Corona-Pandemie ab 2020 mit hybridem Unterricht und kompletten Schulschließungen als außerordentlich hilfreich. Bei einer vom Land Niedersachsen initiierten Lernrückstandsabfrage konnte die Eichenschule zurückmelden, dass durch den Digitalunterricht in Bezug auf den zu bewältigenden Lernstoff nur wenige Defizite zu verzeichnen seien.
Die mit fortschreitender Digitalisierung verbundene methodische Neuausrichtung verlangte nach einer konzeptionellen Neuaufstellung, die sich mit den Anforderungen, die das Land Niedersachsen nach dem Regierungswechsel 2013 an die Schulen stellte, verband. So entstand unter Birnbaums Führung unter maßgeblicher Mitarbeit der zuständigen Koordinatorin Dr. Esther Vollmer-Eicken, die im Sommer 2015 Werner Cords als Koordinatorin in der Schulleitung beerbte, ein ganzes Bündel konzeptioneller Neuüberlegungen. In der Zeit von 2014 bis 2016 wurden ein an die Tablet-Realität angepasstes Medienkonzept und ein Fortbildungskonzept, zudem ein Aufsichts-, ein Präventions- und ein Sicherheitskonzept erstellt. Das Klassenfahrtskonzept rhythmisierte die Schuljahresplanungen. Exkursionen, Klassenfahrten und Austauschprojekte wurden so koordiniert, dass die Zeiträume nach den Herbstferien und vor den Osterferien den Schülern als nicht unterbrochene Unterrichtsphasen zur Verfügung standen. Betriebsrat und Geschäftsführung modifizierten das Qualitätssicherungskonzept, das besondere Belastungen im Lehreralltag honorierte.
Das zweite Vorhaben, das Birnbaum mit seinem Amtseintritt einbrachte, war die Unterstützung eines Schulbaus in Guinea/Westafrika für eine Partnerschule in Wondekhoure, das sog. „Kania“-Projekt, dem sich besonders Heike Buchhaupt annahm. Sie organisiert jährlich mit Schülern einen Afrika-Tag, um die Probleme vor Ort sichtbar zu machen und Verbindung zu den afrikanischen Partnern zu halten. Durch Spenden finanziert das Kollegium seit 2015 eine der zwei Lehrerstellen in Wondekhoure.
Im Schuljahr 2015/16 gelang es der Politik-Fachschaft auf Initiative von Petra Hoppenstedt die Eichenschule als Europa-Schule zertifizieren zu lassen. Hoppenstedt verband in dem Vorhaben die bereits vorhandenen Austauschprojekte in den Klassen 8 und 10, die gesellschaftswissenschaftlichen Wettbewerbsbeiträge einiger Wahlpflichtkurse und die fremdsprachlichen Angebote. Seit 2018 fördert die AG „Business-English“ die englischsprachlichen Kenntnisse im Wirtschaftsbereich. Ein zweijährig stattfindender, von Schülern der Klassen 9 bis 13 für die jüngeren Jahrgänge organisierter Europatag im September rundet seitdem die Fokussierung auf Europa-politische Fragestellungen ab. Hier erhalten die erfolgreichen Teilnehmer der Business-English-Kurse auch die begehrten Zertifikate. Zweimal konnte sogar der niedersächsische Ex-Ministerpräsident David McAllister als Redner und Diskutant für die Oberstufenschüler gewonnen werden.


Um neue Akzente im Wahlpflichtbereich zu setzen, wurde das Kursangebot ausgebaut. Kursthemen wie „Pädagogik“, „Poetry“, „Journalismus“ und „Jugend debattiert“ stehen stellvertretend für den Wandel. Beim „Tag der offenen Tür“ zum 25jährigen Bestehen des WPK-Bereichs an der Eichenschule im Jahr 2018 konnten der interessierten Öffentlichkeit vielfältige Arbeitsergebnisse präsentiert werden.
Damit bei der überbordenden Schulbürokratie die Hauptsache, nämlich der Schüler mit seinen individuellen Fähigkeiten und Problemen, nicht zu kurz kam, führte Birnbaum 2019 die „Pädagogischen Konferenzen“ ein. Zweimal im Jahr versammeln sich nun alle Lehrkräfte einer Klasse, um sich gegenseitig über die Stärken und Schwächen jedes einzelnen Schülers auszutauschen und gegebenenfalls Maßnahmen abzustimmen. So wurde ein Raum für diese wichtige pädagogische Aufgabe geschaffen, den Zeugnis- und Versetzungskonferenzen nicht bieten können. Schließlich gibt es ebenfalls seit 2019 zu Beginn des Schuljahrs sog. „Übergabekonferenzen“, in denen die abgebenden Klassenlehrkräfte ihre Nachfolger kurz über die besondere Situation eines Schülers oder der Klasse informieren. Seit 2020 wird anstelle des zweiten Elternsprechtags ein „Schüler-Beratungstag“ durchgeführt, der ausdrücklich das Gespräch mit und nicht über den Schüler zum Ziel hat.
Die Schulgemeinschaft nahm diese Ideen dankbar auf und entschied, auch im Unterricht das „soziale Lernen“ wieder stärker in den Fokus zu nehmen und hierfür Unterrichtszeit bereitstellen zu wollen. Eckart Feige, ehemaliger Leiter einer Bremer Inklusionsschule, der das Programm „Gemeinsam leben lernen (GLL)“ federführend entwickelt hat, konnte dabei von Nadine Jubin als Begleiter der Jahrgangsteams gewonnen werden und bildet sie stetig im Rahmen der Praxisbegleitungen fort. Im Umfeld dieses Projekts wurde unter Leitung der Sek. I-Koordinatoren Volkmar Bendukat und ab 2020 Nadine Meyer-Reichmann ein Programm entwickelt, das die Neuzugänge in den ersten sechs Monaten ihrer Eichenschulzeit „fit fürs Gymnasium“ machen soll.
Um die Umsetzung dieser pädagogischen Projekte zu unterstützen, gelang es Birnbaum 2020, an der Eichenschule eine BUFDI-Stelle zu etablieren. Seitdem helfen junge, aufgeschlossene Ex-Schüler im Rahmen des Bundes-Freiwilligen-Dienstes den Lehrkräften bei der Realisierung der Maßnahmen.