75 Jahre Eichenschule: Geschichte einer Elterninitiative
Teil 1
Zum Jubiläum unserer Eichenschule hat sich unser stellvertretende Schulleiter Karsten Frick die Mühe gemacht, viele Informationen und Geschichten zur historischen Entwicklung der Eichenschule in Scheeßel zusammen zu tragen. Wir veröffentlichen in den kommenden Wochen die 20 Teile dieser interessanten Recherche hier in unserem Blog.
Auf dem Weg zur privat organisierten „Familienschule“ (1945 – 1947)
Wenn man es auf einen Punkt bringen will, ist die schlechte Unterrichtsversorgung in den Jahren 1945 und 1946 an der Scheeßeler Volksschule die eigentliche Ursache für die Gründung der Eichenschule. Der Unterricht fand für die Scheeßeler Kinder nur sporadisch statt und dies hatte mehrere Gründe: Zum einen hatte die britische Besatzungsmacht wesentliche Teile des Schulgebäudes für ihren Stab in Scheeßel requiriert, so dass schlicht Unterrichtsräume fehlten. Der Unterricht fand teilweise in der Kantine der Lederfabrik im Helvesieker Weg oder im Konfirmandensaal in der Zevener Straße statt. Zum anderen waren mehrere Lehrer im Krieg gefallen oder befanden sich in Kriegsgefangenschaft, so dass auch Lehrkräfte fehlten. Drittens schließlich hatte sich 1945 die Bevölkerung in Scheeßel durch den Zuzug zahlreicher Flüchtlinge aus Schlesien, Ostpreußen, Hinterpommern und Brandenburg und damit auch die Zahl der Schulkinder verdoppelt. Die Klassen waren entweder völlig überfüllt oder mussten geteilt werden, ohne räumliche oder personelle Ressourcen zu haben. Ein Großteil des Unterrichts fiel folglich einfach aus.
Insbesondere diejenigen Eltern, die für ihre Kinder im Anschluss an die 4. Klasse der Volksschule einen höheren Bildungsweg anstrebten, waren besorgt: Würden ihre Kinder auf den weiterführenden Schulen in Hamburg, Bremen, Verden oder Ottersberg überhaupt eine Chance in den Aufnahmeprüfungen haben?
Eine erste, kleinere Gruppe rund um den Sparkassendirektor Karl Born suchte schon 1946 nach „Oberschulen“, die für ihre neun- bis zehnjährigen Söhne in Frage kämen. Noch bis in die 70er Jahre wurde die Begriffe „Oberschule“ für das Gymnasium und „Mittelschule“ für die Realschule verwendet. Schnell stellte sich die Frage, wie diese jungen Schüler bei der damaligen Verkehrssituation den weiten Schulweg alleine unter zumutbaren Bedingungen bewältigen sollten, selbst wenn sie einen der begehrten Oberschulplätze ergattert hatten. Born jedenfalls hatte 1947 für seinen Sohn Gerhard eine „bis zu zwölf Stunden täglich währende Abwesenheit“ von zu Hause für den Schulbesuch einer Oberschule in Bremen hochgerechnet.
Eine zweite, größere Gruppe bildete sich rund um das Gutshaus in Veerse, in dem eine Lehrerin, Silvia von Basewitz, nach der Flucht aus Ostpreußen mit ihren drei Kindern untergekommen war und diese dort auch schulisch unterwies. Dies sprach sich in Scheeßel schnell herum und weckte das Interesse mehrerer Familien, die wegen der unzureichenden Beschulung an der Volksschule besorgt waren. Sie sahen hier eine Möglichkeit, die mangelhafte Unterrichtsversorgung ihrer Kinder wenigstens teilweise zu kompensieren.
Silvia von Basewitz war die geschiedene Frau des Schulleiters Robert Strunck, der sich zu dieser Zeit in britischer Kriegsgefangenschaft befand. Pikanterweise war von Basewitz gemeinsam mit Struncks zweiter Ehefrau Jutta und den drei Kindern aus dieser Ehe geflüchtet. Strunck kehrte etwa im Herbst 1946 aus der Gefangenschaft zu seiner Familie zurück und arbeitete zunächst als Knecht auf dem Veerser Gutshof. Hier entstand der Kontakt zum Schülerkreis um seine erste Frau Silvia.
Kurz vor Weihnachten 1946 machte sich Strunck dann zur Scheeßeler Sparkasse auf, um ein Konto zu eröffnen. Die damaligen Vorschriften sahen vor, dass geflüchtete Personen nur mit Genehmigung des Sparkassendirektors ein Konto führen durften – und so kam es zum ersten Zusammentreffen von Strunck und Born, in dem beide gemeinsam die Idee entwickelten, in Scheeßel eine Schülergruppe der 5. Klasse auf dem Niveau einer Oberschule zu unterrichten.