Interview II
Anlässlich des Jubiläums wurden mit verschiedenen Personen, die als Ehemalige heute noch stark mit der Eichenschule verbunden sind, Interviews geführt.
Joachim Behrens gehört zu den ersten 11 Schülern der Eichenschulgeschichte: Vom 01. Mai 1947 besucht er die „Familienschule Müller-Scheeßel“, die Keimzelle der Eichenschule, in einem Zimmer in der Scheeßeler Mühle. Wie die meisten Scheeßeler Schüler beendet er seine Schullaufbahn nach der 10. Klasse 1953 mit der mittleren Reife. Seine Tochter Maren hat 1986 an der Eichenschule Abitur gemacht. Joachim Behrens ist 85 Jahre alt und wohnt in Veersebrück.
Redaktion: Joachim, als einer der ersten elf Eichenschüler möchten wir Dich fragen …
Behrens: Eigentlich als einer der ersten drei Eichenschüler: Ich gehöre mit Gerhard Born und Klaus-Dieter Behrens zu der kleinen Gruppe, die über Sparkassen-Kontakte den Stein zur Gründung einer privaten Schule überhaupt erst ins Rollen gebracht hat. Weitere Interessenten sind dann über die Müllerfamilie Müller-Scheeßel dazugekommen.
Redaktion: Wann hast Du erstmals von dem Plan, ein Gymnasium in Scheeßel zu gründen, erfahren?
Behrens: Die Idee, in Scheeßel eine weiterführende Schule zu begründen, ist das Ergebnis eines längeren Gesprächsprozesses, den meine Mutter und der damalige Sparkassendirektor Karl Born in den Jahren 1946 und 1947 geführt haben. Karl Born suchte für seinen Sohn Gerhard eine Oberschule, in der er ab 1947 seine Schullaufbahn ab Klasse 5 fortsetzen sollte. Gerhard war mein Spielkamerad – und so entstand die Idee, dass wir beide gemeinsam diese Oberschule besuchen sollten. Als dritter Interessent stieß Klaus-Dieter Behrens, der Sohn des hiesigen Bauunternehmers Heinrich Behrens, dazu. Born meldete uns drei nach langer Suche zum 01.10.47 bei der Oberschule für Jungen, Dekanatstraße in Bremen an. Dennoch zweifelten er und meine Mutter von vornherein an dieser Idee, weil viele Stunden für den Schulweg mit dem Zug einzuplanen waren. Bis zu zwölf Stunden benötigte man am Tag für Unterricht sowie Hin- und Rückweg, hatte Born überschlagen: Für Jungen in unserm Alter wohl nicht zumutbar. Als Alternative schälte sich in dem eingangs erwähnten längeren Prozess die spätere Eichenschule heraus.
Redaktion: Warum hat der Sparkassendirektor seine Pläne zuerst mit Deiner Mutter diskutiert?
Behrens: Bis mein Vater 1943 im Krieg als Polizist in Osterholz eingesetzt wurde, war er in Scheeßel als Sparkassenbeamter tätig. Die Sparkassenmitarbeiter waren vor dem Krieg fast ausnahmslos Männer, die mit zunehmender Kriegsdauer als Soldaten eingezogen wurden. An der Sparkasse herrschte 1943 ein solcher Mitarbeitermangel, dass meine Mutter als Aushilfe eingestellt wurde. Neben meiner Freundschaft zu Gerhard Born machte diese Arbeitsbeziehung meine Mutter zur ersten Ansprechpartnerin Borns.
Redaktion: Du hast vorhin gesagt, als Alternative zum Schulbesuch in Bremen schälte sich in einem längeren Prozess die spätere Eichenschule heraus. Wie genau können wir uns diese Entwicklung vorstellen?
Behrens: Alle Flüchtlinge, die bei der Scheeßeler Sparkasse ein Konto eröffnen wollten, mussten – im Unterschied zu den hiesigen Kunden – beim Sparkassendirektor persönlich vorstellig werden. In der Weihnachtszeit 1946 hatte der nach Veerse geflüchtete ehemalige Oberstudiendirektor Strunck bei Born einen solchen Termin. In diesem Gespräch entwickelten Born und Strunck die Idee einer privaten Schulgründung in Scheeßel.
Redaktion: Wie sollte die ins Auge gefasste Privatschule finanziert werden?
Behrens: Born veranschlagte 30 Reichsmark Schulgeld pro Monat; eine enorm hohe Summe in der Zeit unmittelbar nach dem Krieg: Meine Mutter verdiente rund 230,– RM im Monat in der Sparkasse. Als Sparkassendirektor wusste Born aber genau, wer von den Kunden Kinder der Geburtsjahrgänge 1936 und 1937 hatte und sich das hohe Schulgeld leisten konnte.
Zudem konnte Born Ursula Müller-Scheeßel, überzeugen, im 1. Stockwerk ihres geräumigen Wohnhauses bei der Mühle einen Unterrichtsraum zur Verfügung zu stellen. In diesem Raum stand ein großer runder Tisch mit zwölf Sitzplätzen. Dies war, glaube ich, der Grund, weshalb zunächst elf Schüler in die „Familienschule Müller-Scheeßel“ aufgenommen wurden. Nachdem der Unterricht gut angelaufen war, zog Born für mich und meine beiden Freunde die Anmeldung an der Bremer Oberschule zurück; das Schreiben habe ich noch, es datiert vom 23.05.1947.
Redaktion: Die Zahl der teilnehmenden Schüler ist dann aber schnell gewachsen, obwohl der Tisch zu klein wurde.
Behrens: Ich erinnere mich, dass von Beginn an, genauer: schon im Mai 1947, in der Rotenburger Kreiszeitung um neue Schüler geworben wurde, die dann auch in schöner Regelmäßigkeit in unserer Klasse aufliefen.
Redaktion: Dies führte natürlich zu Platzmangel!
Behrens: Genau! Die ersten zwei Jahre 1947 – 1949 wurde meine Klasse noch in besagtem Zimmer in der Mühle unterrichtet. Der 1949 aufgenommene Jahrgang, der auch wesentlich größer als unsere Klasse war, fand im alten Küsterhaus in der Zevener Straße (heute: Marktplatz) eine Herberge. Wir zogen im gleichen Jahr in den kleinen Saal im ersten Stockwerk des Scheeßeler Hofs um. Im Winter 1950 bezogen dann beide Klassen das neu errichtete Schulgebäude in der Königsberger Straße.
Redaktion: Und wo blieb der Einschulungsjahrgang 1948?
Behrens: 1948 war der Schule wegen fehlender behördlicher Genehmigungen noch untersagt, einen neuen Schuljahrgang aufzunehmen. Dies änderte sich mit Gründung der Schulgenossenschaft im Herbst 1948.
Redaktion: 1953 hast Du die Schule mit der Mittleren Reife in der Tasche verlassen – damals die für Scheeßeler Schüler übliche Schullaufbahn. Wurde in Eurer Familie diskutiert, dass Du auch noch die Oberstufe besuchst, um dann Abitur zu machen?
Behrens: Nein, und ich hätte das auch nicht gewollt. Ehrlich gesagt war meine Schulzeit an der Eichenschule großer Mist. Dadurch dass – wie eben beschrieben – immer neue Schüler über meine ganze Eichenschulzeit hinweg in meine Klasse aufgenommen wurden, waren die Lernvoraussetzungen höchst unterschiedlich. In Mathematik konnte beispielsweise aus meiner Sicht kaum ein weiterführender Unterricht stattfinden, weil den neuen Schülern einfach die Voraussetzungen aus den unteren Klassen fehlten. Ich war froh, als ich die Schule verlassen konnte und habe auch wegen der unbefriedigenden Unterrichtssituation – heute würde ich sagen zu viel – Blödsinn gemacht. In meiner weiteren Ausbildung habe ich dann Ende der 50er Jahre feststellen müssen, wie groß die Lücken gerade in Mathematik waren.
Redaktion: Die Schule hat den Genossenschaftsgedanken sehr ernst genommen: Die ersten Schüler haben viele Arbeiten bei Neubauten oder bei der Unterhaltung der Gebäude selbst übernommen. Welche dieser quasi ehrenamtlichen Aufgaben hast Du leisten dürfen rs. müssen?
Behrens: Ich erinnere mich, dass wir die Baugrube 1949 ausgehoben und nach Fertigstellung des Kellers den Sand wieder herangefahren haben. Häufiger musste ich – als Strafarbeit für den vielen Blödsinn – die Jauchekuhle unterhalb des Plumpsklos an der heutigen Fuhrenstraße leeren.
Redaktion: Gab es Klassenfahrten?
Behrens: Oh ja! 1950 z. B. sind alle Schüler mit dem Rad nach Bademühlen bei Zeven gefahren und ein Jahr später sind wir sogar als gesamte Schule mit dem Rad nach Wangerooge geradelt und haben mit Fischerbooten übergesetzt. Eine schöne Zeit!
Ein weiteres besonderes Highlight, an das ich mich gut erinnere, war übrigens das Sportfest zur Einweihung des 2. Bauabschnitts (also des ersten Teils rechts vom Eingang Königsberger Straße), das im Sommer 1950 in Wümmetal stattfand. Es gab tolle Vergleichskämpfe im Gewichtheben oder im Sackhüpfen – auch die Lehrer haben mitgemacht. Vor allem aber hatte Wümmetal damals ein tolles Naturschwimmbad.
Redaktion: Was wünscht Du der Eichenschule zum 75. Geburtstag?
Behrens: Dass sie weitere 75 Jahre so gut wie jetzt dastehen möge!
Redaktion: Lieblingslehrer und Lieblingsfach?
Behrens: Ich habe ja schon gesagt, ich habe keine so gute Erinnerung an den Unterricht. Deshalb kann ich auch keinen Lieblingslehrer oder ein Lieblingsfach nennen.
Redaktion: Joachim, vielen Dank für das Gespräch und die interessanten Erinnerungen.

Die Eichenschüler 1950 mit ihrem Lehrer Robert Strunck. Hintere Reihe, 4. v. l: Joachim Behrens, vordere Reihe, 3 v. r.: Meinolf Hillebrand